Konsumwandel
Der größte Treiber der Klimakrise — Welthandel der Zukunft
Divestment aus fossilen Energieunternehmen und ein starkes Lieferkettengesetz könnten es ermöglichen, durch den Welthandel global und nachhaltig auf die Klimakrise zu reagieren.
von Nikolas Baumgartner — November 2021
Deutschland der Zukunft: Digital, Mobil und Klimaneutral
Deutschland soll sich unter einer Ampelkoalition in den nächsten Jahren umfassend erneuern. Als größte Herausforderungen sehen SPD, Grüne und FDP dabei den Klimawandel, die Digitalisierung und die Sicherung des deutschen Wohlstandes. Dabei wird ein Thema übergangen, das alle drei verbindet und sich durch die Geschichte jeder Industrienation zieht: die Rohstoffe. Der Ausbau zur Digitalnation, Mobilitäts- und Energiewende wird vor allem den Bedarf nach metallischen Rohstoffen erhöhen. Viele Urwaldflächen, also CO2-Senken werden dafür aktuell zerstört und allein ein Zehntel der weltweiten Industrieemissionen sind auf den Abbau und die Weiterverarbeitung von metallischen Rohstoffen zurückzuführen. Bereits jetzt bezieht Deutschland als fünftgrößter Verbraucher der Welt, 99 % seiner bergbaulich gewonnenen Metalle aus dem Ausland, mit denen vielfältige Menschenrechts‑, Umwelt- und Entwicklungsprobleme einhergehen, die dem Klima, der Biodiversität und dem Frieden schaden. Mögliche Lösungswege aus den externalisierten Problemen wie einer Sorgfaltspflicht entlang globaler Lieferketten und einem reduzierten und effizienten Rohstoffverbrauch lassen sich im aktuellen Sondierungspapier höchstens erahnen.
Lenkungswirkung mit dem Welthandel
Das 1,5°C‑Ziel, zu dem sich 2015 auf der UN-Klimakonferenz (COP) fast alle Staaten der Welt bekannt haben, ist nicht ohne eine Veränderung der globalen Handelspolitik, als größter Treiber der Klimakrise erreichbar. Denn der internationale Austausch vieler gleicher Güter ist überflüssig, internationale (Frei-)Handelsabkommen erhöhen klimabelastendes globales Handelsaufkommen und vergrößern die Schere zwischen Arm und Reich, Ländern des globalen Südens und Industriestaaten. Da es anscheinend bisher keine einheitliche Bewertungsgrundlage und Finanzberichterstattung über die Nachhaltigkeit von Unternehmen gibt, wurde auf der diesjährigen 26. COP in Glasgow die Einführung eines neuen Gremiums vorgestellt, dem International Sustainability Standards Board (ISSB). Umfassende und ehrliche ISSB-Normen könnten somit Transparenz für die Finanzmärkte schaffen, Greenwashing entlarven und zu mehr tatsächlich nachhaltigen Investitionen führen. Diese müssten allein um weltweite Klimaneutralität bis 2050 erreichen zu können, schätzungsweise um das Sechsfache ansteigen. Jedoch wird auch die Einführung einer neuen Norm Investoren nicht überzeugen, solange der Finanzmarkt mit staatlichen Subventionen für fossile Energieträger verzerrt ist – auch mit Geldern aus Deutschland.
Der Rahmen für die Handelspolitik Deutschlands wird wegen des freien Binnenmarkts der Europäischen Union in Brüssel festgelegt. Mit großer Mehrheit hat sich das EU-Parlament im März 2021 für ein Europäisches Lieferkettengesetz ausgesprochen. Der Gesetzesentwurf könnte zum Ende des Jahres erscheinen. Ein EU weites, für alle Unternehmen geltendes Gesetz, das die gesamten Wertschöpfungsketten umfasst, die Rechte von Betroffenen stärkt und eine umwelt- und klimaschutzbezogene Sorgfaltspflicht einführt, ist die historische Chance für die alten Kolonialmächte Gerechtigkeit herzustellen und auf die globale Klimakrise zu reagieren. Damit sich mafiöse Strukturen und Korruption erst gar nicht auf die Erneuerung umstellen brauchen, könnten disruptive Technologien, wie etwa die Blockchain, vor Manipulation schützen. Importe wären nur zulässig, wenn alle Bestandteile der Waren bis in ihren Ursprung rückverfolgbar sind. Die Traceability könnte sowohl Zollvoraussetzung als auch Schutzgarantie entlang globaler Lieferketten sein und den Handel für alle Beteiligten, bis zum Endverbraucher sicherer machen und gleichzeitig die Umweltauswirkungen reduzieren.
Welthandel als Schlüssel zu einer nachhaltigen Gesellschaft
Der Welthandel ist die Vernetzung, die uns zur globalen Gesellschaft gemacht hat. Dank der vielseitigen Möglichkeiten, die unser Planet bietet, können wir Waren austauschen, wovon Produzent*innen und Konsument*innen gleichermaßen profitieren könnten. Jedoch nur im Rahmen der ökologischen Grenzen, um unsere Lebensqualität auf unserem Planeten beizubehalten. Die Folgen des Klimawandels hängen schon Teile der Weltbevölkerung vom internationalen Handel ab. Die Schäden sind bereits katastrophal, weshalb die Fähigkeit mancher Länder im globalen Süden sich nachhaltig zu entwickeln gefährdet ist. Nur die Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft, kann diese Spirale von Problemen noch aufhalten, bevor weitere kritische regionale Kipppunkte erreicht werden. Zwischenmenschliche Empathie und Wertschätzung von Natur sind essenziell, um diese selbsterhaltenden Ziele erreichen zu können. Der Welthandel ist dabei der Schlüssel, für eine Welt, in der wir den Klimawandel unter Kontrolle bringen können und Wohlstand gerecht und vielleicht mancherorts noch rechtzeitig verteilen können. Nur so besteht überhaupt die Chance, dass Menschen rund um den Globus auf den Klimawandel nachhaltig reagieren können und sich soziale Katastrophen und ihre Folgen nicht weiter ausbreiten.
Quellen
Kompass Weltwirtschaft von Power Shift (Folge 2&3)/Spotify
Ergebnis der Sondierung zwischen SPD,Bündnis 90/Die Grünen und FDP/Tagesschau.de
Grünes Geld/Nachrichtenblock II im heute Journal vom 03.11.2021/ZDF
Auf den Spuren der Umwelt-Mafia/Auslandsjournal
Armen Ländern droht durch Klimakrise ein massiver Wirtschaftseinbruch/Spiegel.de
Bildquelle
Kontainerschiff von Alexander Kliem/Pixabay
Grafik von neonfisch.de/AK-Rohstoffe